Schreiben unserer Bürgerinitiative an Kommunalaufsicht und Rechnungshof

Update:
Am 5.11.25 hat uns die Kommunalaufsicht bestätigt, dass sie unsere Eingabe vom 30.10.25 kommunalaufsichtsrechtlich prüfen wird.

St. Wendel, 30. Oktober 2025

Kommunale Fehlsteuerung und mögliche Haushaltsgefährdung durch das Bauvorhaben der SG-Strukturholding am Missionshaus in St. Wendel

Sehr geehrte Damen und Herren des Rechnungshofes des Saarlandes,

sehr geehrte Damen und Herren der Kommunalaufsicht,

mit diesem Schreiben wenden wir uns als Bürgerinitiative „Missionshaus – Zukunft mit Weitblick“ an Sie, weil wir im laufenden Bebauungsplanverfahren „Missionshaus“ Anhaltspunkte für kommunale Fehlsteuerung, mangelnde Transparenz und drohende Haushaltsrisiken für die Bürger:innen der Stadt St. Wendel sehen.

Die Entwicklung am Missionshaus ist kein Randthema – sie betrifft die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit, Haushaltsklarheit und verantwortlicher Stadtplanung. Wir sehen dringenden Prüfungsbedarf, bevor hier unumkehrbare finanzielle und ökologische Fakten geschaffen werden.


1. Fehlende Bedarfsgrundlage und Verstoß gegen Planungsgrundsätze
Das geplante Bauvorhaben sieht auf einer Fläche von rund 27 Hektar am Stadtrand ein neues, dicht bebautes Stadtquartier mit mehreren hundert Wohneinheiten und mit 750 Tiefgaragenplätzen vor.

Ein belastbarer Nachweis für den tatsächlichen Wohnraumbedarf liegt nicht vor. Im Gegenteil: Durch die neuen Baugebiete Abendstall, Sportplatz Alsfassen und Lanzenberg entstehen insgesamt ca. 285 zusätzliche Wohneinheiten – zusätzlich zu vorhandenen innerstädtischen Baulücken im dreistelligen Bereich (siehe unser Schreiben zur Wohnraumbedarfsermittlung). Durch den demografischen Wandel schrumpft die Einwohnerzahl St. Wendels lt. Prognose in den nächsten Jahren um 13,7 Prozent; zusätzliche Leerstände entstehen.
Das Projekt widerspricht damit dem im Landesentwicklungsplan Saarland festgeschriebenen Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ (§ 1 Abs. 5 Nr. 2 BauGB i. V. m. LEP).

2. Fehlende Kostentransparenz und mögliche Belastung des städtischen Haushalts
Nach Berechnungen des Wirtschaftsexperten Dr. Thilo Sekol entstehen für Wartung und Instandhaltung der neuen Infrastruktur am Missionshaus künftig Folgekosten von rund 12 Mio. Euro. Diese Kosten müssten von einer schrumpfenden Bevölkerung getragen werden.
Trotz wiederholter Nachfragen wurde bis heute kein Wirtschaftlichkeits- oder Folgekostenkonzept öffentlich vorgelegt.
Die mögliche Haushaltsgefährdung durch künftige Unterhaltspflichten ist daher als erheblich einzuschätzen.

3. Intransparente Verfahrensführung und mangelnde Beteiligung
Der von der Bürgerinitiative geforderte städtebauliche Vertrag wurde bis heute nicht abgeschlossen.
Einwender:innen im Verfahren wurden zunächst in den nicht-öffentlichen Bauausschuss eingeladen, dann kurzfristig wieder ausgeladen und bis heute nicht gehört.
Diese Vorgehensweise lässt erhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens aufkommen.

4. Umwelt- und Sicherheitsaspekte
Das Missionshausareal ist die grüne Lunge der Kernstadt und wird von der Bevölkerung als wichtiges Naherholungsgebiet sehr geschätzt.
Die geplante großflächige Versiegelung von Naturflächen erhöht die Hochwassergefahr für An- und Unterlieger erheblich.
Zudem bestehen Zweifel an der Sicherheit der geplanten Regenrückhaltebecken, wodurch im Extremfall Gefahr für Leib und Leben nicht ausgeschlossen werden kann.
Auch hier drohen Folgekosten durch mögliche Schadensereignisse und Versicherungsprobleme der Anwohner:innen.

5. Wirtschaftliche Unwägbarkeit
Bis heute hat die SG-Strukturholding keinen Investor für das Projekt nachweisen können.
Es handelt sich somit um ein spekulatives Vorhaben, dessen Risiken auf den städtischen Haushalt zurückfallen könnten, falls die Umsetzung scheitert oder Folgekosten im Städtebaulichen Vertrag unzureichend abgesichert werden.

6. Gesamtbewertung
Aus Sicht der Bürgerinitiative „Missionshaus – Zukunft mit Weitblick“ erfüllt das Bauvorhaben in seiner derzeitigen Form mehrere Tatbestände, die eine Prüfung durch Kommunalaufsicht und Rechnungshof rechtfertigen:

  • Fehlende Bedarfsgrundlage

  • Mangelnde Wirtschaftlichkeitsprüfung

  • Verstoß gegen Planungsgrundsätze (Innen- vor Außenentwicklung)

  • Intransparente Verfahren und mangelnde Bürgerbeteiligung

  • Absehbare Folgekosten für Unterhalt und Infrastruktur, die nicht benannt und einkalkuliert werden.

Wir bitten daher um eingehende Prüfung,

  • ob das Verfahren mit den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 82 Abs. 1 KSVG) vereinbar ist,

  • ob ausreichende Kostentransparenz und Risikoabsicherung gegenüber der SG-Strukturholding bestehen,

  • und ob die Stadt St. Wendel die gebotene Bürgerbeteiligung und Dokumentationspflicht eingehalten hat.


Abschließende Bitte:
Angesichts der Dimension des Vorhabens und seiner weitreichenden Folgen für Umwelt, Stadtentwicklung und den kommunalen Haushalt bitten wir um eine zeitnahe Prüfung und Rückmeldung, ob die oben genannten Punkte in den Zuständigkeitsbereich Ihrer Behörde fallen und ob Sie weitere Unterlagen oder ergänzende Informationen von uns benötigen.
Wir sind überzeugt, dass hier ein genauer Blick nicht nur im Sinne der Bürger:innen, sondern auch im Interesse der öffentlichen Haushaltskontrolle dringend geboten ist.

Weitere Informationen finden Sie unter www.bi-missionshaus.de.
Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

für die Bürgerinitiative „Missionshaus – Zukunft mit Weitblick“

Anton Stier und Miriam Steinmetz

Foto: Helmut Becker